Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. In einer kleinen Artikelserie möchten das Gemeindearchiv und die Ortsheimatpflege daran erinnern, wie die Tage rund um dieses Datum in Ismaning erlebt wurden.
Von 1932 bis zur Sprengung 1983 wurde der Blick ins Ismaninger Moos vom markanten hölzernen Sendeturm des Deutschen, später Bayerischen Rundfunks geprägt. Während des „Dritten Reichs“ nutzte das NS-Regime die neue Rundfunk-Technik für ihre Propagandazwecke. Doch auch der Widerstand erkannte die Möglichkeiten des Radios. In der Nacht vom 27. auf den 28. April 1945 besetzten Mitglieder der „Freiheitsaktion Bayern“ (FAB) die Anlage und verbreiteten über den Rundfunk ihre „Proklamation an das bayerische Volk“. Ab 5:00 Uhr hörte die erstaunte Bevölkerung statt Musik und Durchhalteparolen der NS-Propaganda den Aufruf der Widerstandgruppe:
Achtung, Achtung! Hier spricht die Freiheitsaktion Bayern. Das Stichwort ‚Fasanenjagd‘ ist durchgegeben. Arbeiter schützt eure Betriebe gegen Sabotage durch die Nazis! Sichert Arbeit und Brot für die Zukunft […], verwehrt den Funktionären den Zugang zu euren Anlagen […]. Achtung, Achtung! es spricht der Sender der Freiheitsaktion Bayern! […] Die FAB hat heute Nacht die Regierungsgewalt erstritten […]. Die Panzerspitzen der Alliierten stehen schon am Ammersee, der Feind ist weit über Augsburg in Richtung München vorgedrungen […]. Die FAB hat das Joch der Nazis in München abgeschüttelt.“
Die „Fasanenjagd“, das Codewort der Aktion, nahm Bezug auf die NS-Funktionäre, die wegen ihrer überdekorierten Uniformen im Volksmund „Goldfasane“ genannt wurden. Bis 11:00 Uhr gelang es den Aktivisten, ihre Aufrufe zur Kapitulation vor den amerikanischen Truppen, zum bewaffneten Aufstand gegen die verbliebenen NS-Einheiten und ihr „Zehn-Punkte-Programm“ im Rundfunk zu verlesen. Das Programm forderte das Ende von Militarismus und Nationalismus, die Zusicherung von Grundrechten basierend auf christlichen Werten sowie die unantastbare Würde des Einzelnen. Die Sprecher riefen in Deutsch, Französisch und Englisch die Wehrmacht dazu auf, die Waffen niederzulegen. Dass die FAB die Regierungsgewalt erstritten hätte, blieb allerdings ein Wunschdenken. Gegen Mittag näherten sich SS-Truppen der Ismaninger Sendeanlage und die FAB-Aktivisten mussten fliehen.
Die Reichweite des Senders betrug ca. 100 Kilometer im Umkreis. Vor allem im Süden Bayerns schlossen sich fast 1.000 Menschen den verschiedenen Untergruppen der FAB an, über 50 bezahlten dies nach dem Scheitern der Aktion mit ihrem Leben. Auch in Ismaning hörten viele den Aufruf der FAB. An der Besetzung des Senders war niemand aus dem Ort beteiligt.
(Zusammenstellt aus: Veronika Diem: Die Freiheitsaktion Bayern. Ein Aufstand in der Endphase des NS-Regimes, Kallmünz 2013.)
Im Gedenken an die Widerstandsgruppe FAB erhielt 1946 der frühere Feilitzschplatz (ab 1933 vom NS-Regime in „Danziger Freiheit“ umbenannt) den Namen „Münchner Freiheit“.
Ausführliche Informationen über die NS-Zeit und das Kriegsende in Ismaning finden Sie in dem Buch „Dreißig Jahre. Alltag in Ismaning 1925 bis 1955“, erhältlich im Schlossmuseum und in der Buchhandlung Isarbuch.
Am 15. Juli, 19.30 Uhr, wird Dr. Christine Heinz in der vhs Ismaning einen Vortrag über „Kriegsende und Nachkriegszeit am Großsender München-Ismaning“ halten (Anmeldungen über die vhs).
Foto: Sender Ismaning, Schlossmuseum