In ihrem 2020 in New York erschienenen Buch “Caste” beschreibt die Autorin Isabel Wilkerson drei hierarchisch aufgebaute und diskriminierende Kastensysteme, deren Existenz zu dem führt, was sie im Untertitel benennt: “The Origins of Our Discontentents” (die Ursprünge unserer Unzufriedenheit(en)”: Das indische Kastensystem, die Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus und den Rassismus in den USA. In allen drei Kastensystemen galt und gilt ihren Konstrukteuren die Geburt als das ultimative Stigma.
Wilkerson, Journalistin und Publizistin, Gewinnerin des Pulitzer Preises und der National Humanities Medal, zeigt in diesem lehrreichen, populärwissenschaftlichen Buch die Verbrechen und Verwerfungen der bis heute systemisch rassistischen Gesellschaft der USA auf, und dies auch aus ihrer Erfahrung als schwarze Amerikanerin. Während Wilkersons Darstellungen der amerikanischen Verhältnisse kenntnisreich und überzeugend sind, kann jedoch Kritik an ihrer Praxis des Vergleichens der drei genannten Systeme geübt werden: Zwar sind unabhängig von Historie und Konzeption die Erfahrungen der Verfolgung, Ermordung, Diskriminierung und Ausgrenzung für alle Opfer gleich schmerzlich, seien sie Inder, Afrikaner oder Juden, dennoch könnten die theoretischen Voraussetzungen der Systeme, ihre Geschichte, Genese, Ideologie, Begründungen und Umsetzungen aus wissenschaftlicher Perspektive nicht unterschiedlicher sein. Es geht in dieser Vortragsreihe nicht um eine Wertung oder Relativierung von Verfolgung, Unrecht und Schmerz, sondern um den Versuch einer wissenschaftliche Analyse und dies aus indologischer Sicht mit dem indischen Kastensystem im Zentrum, dem ältesten der drei Diskriminierungssysteme und dem Ausgangspunkt Wilkersons.
Die Vortragsreihe möchte in drei Einzelvorträgen Folgendes behandeln:
1. Das indische Kastensystem: Geschichte, Konzepte, Realitäten.
2. Der europäische Rassismus: Geschichte, Konzepte, Realitäten.
3. Strategien der Stigmatisierung und Ausgrenzung in Indien, USA und dem
Nationalsozialismus. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Dr. phil. habil. Renate Syed ist Privatdozentin am Institut für Indologie und Tibetologie der Universität München; sie lehrt als Dozentin an der Hochschule für Philosophie, München und gibt Kurse an der VHS München, darunter Sanskrit, Hindi und Urdu. Sie ist Indologin und Sanskritistin; ihre Spezialgebiete sind die indischen Religionen, Philosophien und die alt- und neuindische Kulturwissenschaft. Sie beschäftigt sich in Forschung und Lehre auch mit der zeitgenössischen indischen Politik, mit Kultur und Gesellschaft.
Der Vortrag wird zeitgleich als Live-Stream angeboten. Wählen Sie bei der Anmeldung (in jedem Fall erforderlich!) zwischen “Präsenz” und “Online”. Die Zugangsdaten erhalten Sie nach Anmeldung.